Knecht Ruprecht

Heute las ich in der Zeitung, dass Knecht Ruprecht nicht mehr zeitgemäß sei. Er passe nicht mehr in das Bild der heutigen Kindererziehung.

Das stimmt. Schon wenn man sieht, mit was für rückschrittlichen Verkehrsmitteln er unterwegs ist. Schlimm! Er kann einfach nicht mithalten, wenn die Kinder mit SUVs zur Schule bzw. ihren Aktivitäten gefahren werden. Er prangert Ungezogenheiten an, verlangt Besserung bei Verfehlungen und will erst dann seine Gaben verteilen. Das geht wirklich gar nicht mehr! Seine Begünstigten sind Kinder oder sollen es sein. Aber immer wieder hört man, dass er auch Erwachsene beglückt. Macht er das aus lauter Freude? Ich nehme es einfach mal an.

Der Nikolaustag hat für mich keine große Bedeutung. Die Enkel werden schon einige Zeit vorher per Post beglückt. Rückmeldungen kommen nicht. Warum sollten sie das bei mir tun? Die kleinen Geschenke kommen ja von IHM, dem grossen Unbekannten, den noch keiner sah.

Er ist ein Nachtmensch. Als ich gestern morgen hektisch die braune Tonne vor die Tür fuhr, sah ich beim Hinauslaufen das viereckige Päckchen in meinem Schuh. Oho! Sollte der Nachtknabe Ruprecht bei mir gewesen sein? Hatte ich das verdient?

Viereckiges Päckchen bedeutet Buch oder Pralinen. Gut, erst einmal die Tonne raus. Keine einzige Tonne auf der Strasse? Also in der Woche geirrt, Kommando zurück, Tonne wieder in den Garten.

Frühstück oder erst Päckchen aufmachen?

Ich bin ja schon groß und kann mich beherrschen. Kaffee ist schnell gemacht. Das Päckchen liegt vor mir. Ich weiss gar nicht, was grösser ist, die Neugier oder die Freude? Das Papier ist schnell aufgerissen. Ein Buch!

Als ich den Titel und den Untertitel lese, merke ich, wie sich die Freude in ein undefinierbares Gefühl verwandelt:

„Kochbuch für die kleine alte Frau“ von Sybil Gräfin Schönfeldt, ein Buch für all jene, die allein leben, aber eine selbstgekochte Mahlzeit lieben.

Könnte es sein, dass sich der Knabe geirrt hat? Ist er selber alt? Oder sollte es ein Hinweis darauf sein, dass sich mein Leben demnächst ändern könnte? Ich grüble und merke, wie sich meine gute Laune verflüchtigt.

Was stört mich am meisten? Die Wörter ‚alte Frau‘ – etwas schon. Klar bin ich alt, mache daraus keinen Hehl und habe damit kein Problem. Das Wort ‚klein‘ relativiert es, macht es etwas sympathischer. Trotzdem! Kochen mag ich gern, stimmt, allerdings so gut wie nie für eine Person.

Der mir Angetraute kommt die Treppe herunter und fragt:“Und?“

Ich gebe zu, dass ich mich nicht so ganz gut unter Kontrolle hatte und die Worte (ich wiederhole sie nicht!) die ich im Affekt über Knecht Ruprechts Geschenkidee äusserte, nicht sehr nett waren. Es war eine schöne Geste. Ich vermute aber, Knecht Ruprecht wird künftig nicht mehr mit einem Geschenk zu mir kommen.

Aber da es sowieso nicht mehr zeitgemäß ist, werde ich es nicht vermissen.

8 Kommentare zu „Knecht Ruprecht

  1. Hallo Jutta,

    also , ob der Nikolaus nun in die Nacht hinausgeschickt wird oder ob er hinterm Ofen hocken bleibt, darauf hat doch nur unsere Phantasie Einfluss. Wir sind es doch die ihn zum Leben erwecken für unsere Nachkommen.
    Für mich hat es mit Tradition zu tun, die weiterzuführen jeder für sich entscheiden kann.
    Ob es wohl auch bald pädagogische Einwände gegen den Weihnachtsmann geben wird, immerhin droht er ja mit einer Rute.
    Na, im Zweifelsfalle können die Deutschen Eltern sich ja an ihre Ministerin wenden.
    In Dänemark begibt sich sogar die Königin auf den Dachboden des Schlosses und stellt die Reisspeise zur Besänftigung der Hausgeister, den Nissen, bereit. Das Photo habe ich in der Zeitung gesehen!
    Bisher ist mir noch keine seelische Schadensmeldung zu Ohren gekommen.
    Nikolaus scheint hier keine Einreise zu erhalten haben, hat er überhaupt einen Asylantrag gestellt ?
    Ich kann meine Stiefel noch so auf Hochglanz putzen, der Kerl kommt hier nicht rein. Dabei ist der vieldiskutierte Wildschweinzaun noch gar nicht errichtet.

    Wie gut, dass deutsche Ehemänner die Rolle,i ch meine des Nikolaus, nicht der Wildschweine, übernehmen. Liebe Jutta, dieses Buch mit dem umstrittenen Titel oder die Rute, die wäre ja wohl die Alternative gewesen ?
    Vielleicht hat sich der Nikolaus einfach in der Adresse geirrt, ist ja auch so schaurig dunkel zur Zeit. Da kann man es ihm auch nicht verdenken, dass er möglicherweise ein Schl¨¨uckchen zum Aufwärmen genommen hat und so bei der Wahl des Buches daneben gegriffen hat ?
    Oder er hatte die Brille nicht dabei ?
    Oder hat ihn eine inkompetente Verkäuferin oder eine Konkurrentin beraten ?

    Wer weiss,auch bei der Mülleimergeschichte könnte der Nikolaus seine Finger im Spiel haben, wie gesagt Dunkelheit, Alkohol oder die Brille ?

    Nikoläuse sind ja auch nur Menschen. ich hoffe es tröstet ein wenig, Dich und den Nikolaus.

    Einen friedvollen 2. Advent !

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    1. 😜
      Hallo Gabi,
      du weißt doch, dass mein Nikolaus Abstinenzler ist. Diese Entschuldigung greift nicht. Aber es wäre eine gute Erklärung gewesen. Für mich war es eine gute Vorlage für die Mini-Geschichte. Und- ich hätte die Alternative vorgezogen😜…
      Danke für deine Antwort, die ja auch schon -fast- eine kleine Geschichte ist.
      Kommst du noch nach G.?
      Lieben Gruß!

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  2. Ja , liebe Jutta – stilistisch scheint es immer besser zu werden – wer Dich kennt , kann viele angesprochene Problemfelder nachvollziehen . Das schnelle Reagieren auf bestimmte Situationen ist Dir sicher eigen – obwohl Du doch in den vielen Jahren des Verkaufs gelernt haben solltest , daß ein schneller Abschluß nicht immer drin ist ( sagt der Verkäufer ) . Aber zu Deinen Gunsten : das Thema Enkelkinder beschenken lief bei uns ähnlich ( kein Danke ) und ob man den Titel des Buches sich zu Herzen nehmen sollte , sei dahingestellt – denn immerhin bekommst Du noch immer etwas geschenkt , was a ) auf Deine Interessen abgestimmt ist b) zeigt daß der Gemahl immer noch gewillt ist , Dir eine Freude zu bereiten und c) beweißt , daß sich Knecht Ruprecht im Vorfeld Gedanken gemacht hat , was er in den ( hoffentlich geputzten ) Stiefel legen soll. Lustig natürlich – das versehentliche Herausstellen der Tonne ( zeigt , daß Du den Abfallkalender noch nicht richtig interpretieren kannst , der immer zur Jahreswende an die Haushalte verschickt wird – das war übrigens jahrelang die „Lieblingslektüre“ meiner Frau – was natürlich auch zuweiterführender Polemik geeignet wäre ) . Fazit : eine nette Polemik zum anstehenden Fest , die man locker runterliest und mich zumindest zu diesem Kommentar verführt hat – also weiter so !! Euch beiden eine schöne Weihnachtszeit – vielleicht bringt ja der Weihnachtsmann auch noch Geschenke ?

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    1. Lieber Holger,
      ich musste mehr als schmunzeln, als ich deinen Kommentar las. Ich hoffe, ich kann das stilistisch richtig begründen.
      Wenn ich lange mit meinem Partner zusammen bin, muss ich mich also freuen, wenn es eine Überraschung gibt, egal, wie sie ausfällt? Hm, ich gehe davon aus, dass das bei euch so ist, dass du das so erwartest. Ich sehe es etwas anders.
      Sicher ist das Kochen eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, aber darum ging es eigentlich nicht. Du hast vollkommen Recht mit deiner Behauptung, dass ich oft, sehr oft sogar, spontan reagiere.
      Zu den Erfahrungen meiner Verkäuferzeit kann ich nur sagen, wenn der Kunde meinte, er überlegt es sich und kommt wieder- er kam zu 95 % nicht wieder. Der Moment zählte, meine Präsenz und verbale Überzeugungskraft.
      Um es nicht zu verkomplizieren, es ist eine Glosse, sollte witzig sein, mehr nicht. Ich dachte, das kommt so an und bin überrascht, was es für Diskussionen hier und im Dialog auf WhatsApp ausgelöst hat.
      Trotzdem ein großes „danke“ an dich, dass du dir die Mühe mit einer Antwort gemacht hast.

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  3. Danke für deinen Beitrag, Rita.
    Ja, der Nikolaustag polarisiert wie das ganze Weihnachtsfest überhaupt. Ich denke, die Empfindungen daran sind an die Erinnerungen aus der Kindheit geknüpft.
    Für mich waren die Äußerungen der Familienministerin Anlass für diese kleine Glosse und, ja, mein Geschenk natürlich auch. Die besten Ideen findet man im alltäglichen Leben.
    Frohes Fest🌲!!

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  4. Ist es nicht egal ob es zeitgemäß ist oder auch nicht?
    Zählt nicht die Freude des Beschenkten und des Schwenkenden?
    Wenn man alles weg lässt was mal Bestand hatte und sich denkt, man muss alles anders machen, wird es dann auch besser?
    Ich vermisse die Langsamkeit und die kleinen Gesten die einen früher erfreuen konnten.
    Ich sag herzlich Willkommen zu Knecht Rupprecht oder Nicolaus oder wie er sonst noch genannt wird.

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    1. Danke für deinen Kommentar.
      Du hast vollkommen Recht, es zählt die Freude.
      Für mich war der Artikel der Familienministerin Anlass für diese kleine Glosse. Man muss nicht alles so ernst nehmen, was gesagt und geschrieben wird. LGj

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