Zwei Flaschen und ein Foto

Die Welt verändert sich. Ständig.
Was gut ist und sich für jeden anders anfühlt. Ich stelle die Veränderungen an Weiterbildungen fest. Auslöser für diese kleine Geschichte sind zwei Fotos. Eines entstand am Strand, während Sturmtief ‚Niklas‘ wütete, das andere wählte ich aus einem grossen Stapel während einer Weiterbildung aus.

Als ich noch in einem Betrieb tätig war, gab es bei Weiterbildungen bzw. zu Lehrgängen ein Thema, eventuell neue Erkenntnisse bei der Produktion, Qualität oder Zusammensetzung von Produkten, das erörtert und dafür neue Handhabungen erarbeitet wurden. Diese Veranstaltungen begannen mit einer Begrüssung und evtl Regelung organisatorischer Fragen und dann wurde das entsprechende Thema behandelt. Die Abendveranstaltungen waren un-organisiert und meist feuchtfröhlich. Es kam zu ungeplanten Begegnungen. Manchmal.
Das erlebe ich heute ganz anders.
Wobei ich sagen muss, dass es keine Themen mehr sind, die sich mit Veränderung eines Produktes befassen, sondern es geht im weitesten Sinne um die Seele, das innere Befinden.
Das Kennenlernen der Teilnehmer eines Lehrganges ist nun komplizierter und gestaltet sich oftmals spielerisch. Einmal erlebte ich, dass uns die Referendarin auf ungewöhnliche Weise kennenlernen bzw. sich ein Bild über unser Wesen machen wollte. Sie bat uns, ein Kleidungsstück zu benennen, das wir gern sein wollen. Hä?
Allgemeine Verunsicherung und dann nannte jeder eins. Natürlich, klar, der BH, mit der Begründung, dass zusammengehalten und aufgerichtet werden muss, was zusammen gehört. Allgemeines Gelächter. Es gab das Tuch, um zu verhüllen, Socken zum Wärmen, den Hut, um sich zu verstecken- jeder fand ein Kleidungsstück.Ich wählte das Shirt, weil es zu allem passt und zu jeder Gelegenheit getragen werden kann. Dass sich die Referendarin nun ein Bild von jedem machen konnte, ähm, es erschloss sich mir nicht.
Der Klassiker bei einer Weiterbildung fehlt selten, sicher in Variationen. Wie diesmal.
In der Mitte des Raumes lagen viele Karten, offen, mit den unterschiedlichsten Motiven wie Natur, Menschen, Bewegung, Häuser, Gärten etc. Jeder suchte sich eine Karte aus, die sein Inneres ansprach oder einfach nur gefiel. Meist muss das ausgewählte Bild begründet (… was macht es mit dir?) oder eine Geschichte darüber erzählt werden.
Es geht aber auch anders! Das Bild auf der Karte sollte nachgestellt und fotografiert werden . Warum und weshalb- keine Ahnung! Vielleicht ging es nur darum, sich in eine andere Person oder Situation einzufühlen. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich eine andere Karte ausgewählt.
Ich wählte eine Karte von Edward Hopper, weil ich seine Bilder mag. Immer wieder stand ihm seine Frau Modell und oft war Einsamkeit sein Thema. Ich mag seine Bilder.
Nur – wie sollte ich es nachstellen? Eine Frau, auf ungemachtem Bett sitzend und aus dem Fenster schauend?
Gemeinsam versuchten wir es in unserem Hotelzimmer umzusetzen, lachten viel und waren letztlich mit unseren Ergebnissen zufrieden. Natürlich, ganz klar, kleine Unterschiede, die Frau hat lange Haare, ich nicht und von den Jahrzehnten, die zwischen uns liegen, auch mal ganz abgesehen :-))

Das ausgewählte Bild meiner Freundin war etwas einfacher nachzustellen. Immerhin, wir hatten Spass und der Perspektivwechsel war interessant. Abendveranstaltungen mit Tagesauswertungen gibt es immer noch, meist auch feuchtfröhlich, allerdings mehr mit dem ‚harten Kern‘ der Gruppe. Das Gesundheitsbewusstsein steigt mit zunehmendem Alter. Unterschiedlich stark.

Gestern am Strand, als der Wind wütete, fand ich zwei leere Flaschen im Sand.

Ein Berliner und ein Hasseröder Pils. Berlin traf auf den Harz. Harz auf Berlin. Nun könnte ich mir auch hier eine Geschichte ausdenken oder Fragen formulieren. Kannten sich die jeweiligen Getränksleute? Sind sie freundlich auseinandergegangen, um in einer Kneipe weiterzutrinken? War es ein Pärchen und wenn ja, wohin ging es für sie, als die Flaschen leer waren? Wurden die Flaschen mitgebracht oder hier im Ort gekauft? Gibt es hier an der Küste überhaupt Berliner Pils? Oder war der Wind verantwortlich, dass die Flaschen nebeneinander zum Liegen kamen? Hatte er sie freigeweht? Und wie stellt man zwei Flaschen als Foto dar?
Das dürfte hierbei das Einfachste sein.
Viele Fragen, die ich beantworten könnte. Aber nicht will. Es ist ja keine Weiterbildung. Oder doch? Im weitesten Sinne?
Ehe noch mehr Fragen auftauchen, höre ich besser mit dem Schreiben auf.
Zumindest für heute.

2 Kommentare zu „Zwei Flaschen und ein Foto

    1. Man wird es nie erfahren, lieber Robert, egal wie oft die Frage gestellt wird. Aber eine nächste Windböe wird kommen und die Frage erübrigt sich dann …
      Windige Grüße

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