Der kleine Puck

Die Einladung kam unerwartet.
„Wollt ihr mit zum Eishockey am Freitag?“
„Wer spielt denn da und wo?“
„In Rostock, im Eisstadion und die „Piranhas“ spielen gegen Hannover!“
Warum eigentlich nicht?
Für mich wäre es eine völlig neue Erfahrung und für solche bin ich immer offen. Die „Piranhas“ spielen in der Oberliga Nord.

Wegen mangelnder Parkplätze fahren wir mit der S-Bahn und Strassenbahn, den Rest zu Fuss. Wir treffen vor dem Stadion auf Micha, der die Karten hat. Er ist sehr guter Laune und beginnt sofort, mir die Regeln zu erklären. Ich unterbreche ihn lachend und meine, dass er das später noch machen kann. Er hat eine Jahreskarte für sechs Personen. Drei Plätze sind heute noch frei und diese werden ihm relativ schnell abgekauft. Wir sitzen mitten im Fan-Bereich.

Nach und nach trudeln die Zuschauer ein. Es ist Vorweihnachtszeit und die meisten tragen eine Mütze, zum Teil sehr witzige Modelle. Micha kramt seine Sirene aus DDR-Beständen aus dem Rucksack und führt sie mir vor.

Absolut schriller Ton! Die Umstehenden heben den Daumen- klasse Ton. Micha holt noch einen Schal mit dem Logo der „Piranhas“ aus dem Rucksack und legt ihn mir um. Das muss sein! Ich überlege kurz, wer den Schal schon alles umhatte und schiebe den Gedanken sofort beiseite. Bei diesem hohen Adrenalinpegel hat kein Keim eine Chance. Micha scheint hier jeden zu kennen und ich wohl auch bald. Immerzu klatsche ich fremde Leute ab. Es wird viel gelacht, aus den Lautsprecherboxen tönt Musik von Rammstein. Passend. Plötzlich zuckt Micha zusammen, hält die Hand vor den Mund, völlig irritiert. Ein unterer Schneidezahn ist ihm rausgefallen!
„Sieht man das?“, fragt er unsicher.
„Nein, überhaupt nicht“, antworte ich „man schaut dir in die Augen, nicht auf den Mund!“
Er ist beruhigt und lässt kurz die Sirene heulen.
Das Licht wechselt, zwei kleine Nachwuchssportler drehen die Runde und schwenken die Fahnen der beiden Mannschaften. Das wird lautstark begrüßt und beklatscht.
Nun laufen die Spieler aufs Eis. Der Stadionsprecher ruft die Vornamen der einheimischen Spieler und die Zuschauer rufen den Nachnamen. Super Stimmung!

Micha erklärt mir noch kurz die Spielregeln. Der Puck fliegt so schnell hin und her, dass ich das erste Tor nicht bemerkt habe. Es war für den Gegner und wurde von den Rostockern übergangen. Man klatscht nicht für den Gegner! Erst als die „Piranhas“ zum 3:1 aufschliessen, gibt es Begeisterungsstürme von Trommeln und Michas Sirene. Nach 20 Minuten und mehreren Unterbrechungen eine erste längere Pause. Ich will mir am nächsten Tresen etwas zu trinken holen, aber es ist der für die VIPs. Gibt aber auch nur Bier und Bockwurst. Also aus der Halle raus und ein Bier gefasst! Alle kennen und duzen sich- ich gehöre fast dazu.
Ein schönes Gefühl!
Das zweite Drittel beginnt, nachdem das Eis aufgefrischt wurde. Sieht nicht so gut aus für uns. Buhrufe auf die Schiedsrichter ertönen, was ich nicht nachvollziehen kann. Aber ich sehe ja auch nicht immer den Puck!
Plötzlich lauter Knall, ein Eishockeystock zerbrochen auf dem Eis und nun richtiger Tumult. Die Fans hocherregt! Eigenartigerweise ist es so schnell wieder ruhig, wie es begonnen hat. Die Trommel neben mir ertönt wieder im Takt zu den Rostock-Rufen. Hannover verzeichnet inzwischen fünf Punkte und das letzte Drittel beginnt nach der Pause. Die Piranhas treffen das Tor zum zweiten Punkt. Frenetischer Applaus!
„Wir könnten es noch schaffen“, sagt der Mann zu mir, als er sich umdreht. Ich nicke.
„… auf die Fresse … auf die Fresse … aber ohne Gewalt!“, höre ich hinter mir schreien.
Hm, wie sollte das gehen?
Die Hannoveraner schiessen das sechste Tor und damit ist klar, wer der Sieger ist. Vor mir wird das Spiel analysiert, warum die Piranhas nicht gewinnen konnten.
Ich gebe Micha den Schal zurück, obwohl er meint, ich könne ihn schon für das nächste Spiel behalten. Mal sehen!
Ein Erlebnis der etwas anderen Art mit freundlichen, kameradschaftlichen Menschen, die begeisterungsfähig sind und ihrer Mannschaft die Treue halten.
Immer!!!

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